Johann Bappert
1. Zur Geschichte des Ortes und seiner deutschen Einwohner
Die Gemeinde Kleinbetschkerek (rumänisch: Becicherecu Mic,
ungarisch: Kisbecskerek, serbisch: Mali Bečkerek) liegt in der Banater
Tiefebene, 17 km nordwestlich von Temeswar entfernt. Die Koordinaten sind:
45° 50′ N, 21° 3′ O und die Höhe über dem Meeresspiegel der Adria beträgt
79-88 m. Kleinbetschkerek liegt an der DN6 (Temeswar - Großsanktnikolaus),
der früheren Wiener Reichsstraße. Nachbarorte sind: Neubeschenowa (O),
Sackelhausen (S), Kleinjetscha (W), Großjetscha (W), Billed (NW),
Hodoni (NNO), Knees (NNW), Mercydorf (NO).
Der Ort wird 1232 als „terra Potkerequ“ zum ersten Mal erwähnt.[1]
Die Ortsbezeichnung „Pechkereky“ taucht danach wieder 1334 in den
päpstlichen Registern der Jahre 1332-1337 auf.[2]
Karl von Möller[3]
und Johann Rech[4] nennen für die gleichen Quellen die Ortsbezeichnung „Bekkereky“
bzw.: „Pechkereky“. Zitat: „Nicolaus de Bekkereky solvit 8 grossos“. Gemeint
ist ein Pfarrer namens Nikolaus, der 8 Groschen Steuer ablieferte. Auch 1462
wird „Pechkereky“ erwähnt.[5] Der Ortsname leitet sich vom ungarischen Personennamen „Becs“
und dem Ortsnamen „Kerek“ ab, was in der finno-ugrischen Sprache „rundes
Gehölz“ (auch Wald) bedeutet.[6]
Beweise von frühzeitigen Siedlungen liefern mehrere Funde, die zufällig oder
bei archäologischen Grabungen an den Anhöhen im Nordwesten („Berch“) und
Südwesten („Kaiserhiwl“) gemacht wurden. Steinwerkzeuge belegen die
Siedlungen aus der Jungsteinzeit. Gold- und Silbermünzen aus der Zeit
Philipps II. und Alexanders des Großen, aber auch römische Denar Münzen
zeigen, dass der Ort sowohl in dakischer, als auch in römischer Zeit bewohnt
war.[7]
Es folgen in der Banater Geschichte trübe und unruhige Zeiten. Nach der
Schlacht von Mohács (1526) gerät der südliche Teil Ungarns unter türkischen
Einfluss. 1552 wird auch die Festung Temeswar von den Türken erobert. Erst
1716 gelingt es Prinz Eugen von Savoyen in der Schlacht von Peterwardein,
das Banat wieder zu befreien.
Zu den ersten Einwanderern ins Banat zählen die Serben. Schon 1494, als dem
ungarischen Heerführer Paul Kinizsy ein Überraschungsschlag gegen die Türken
gelingt, folgen ihm tausende serbische Flüchtlinge über die zugefrorene
Donau nach Ungarn. Ebenso fliehen 1690 unter dem orthodoxen Patriarchen
Arsenje Crnojeviae ca. 200.000 vor den Türken über die Donau in das Gebiet
des Banats und der Batschka. Einige dieser Familien kommen nach
Kleinbetschkerek und gründen hier eine eigene Siedlung, die später als „Raitzisch“
(serbisch) Kleinbetschkerek mehrfach erwähnt wird und bis 1808 eine eigene
Verwaltung besitzt.
Erst 1718 nach dem Frieden von Passarowitz wird das Banat Habsburger
Kronland mit der Bezeichnung „kaiserliches Temescher Banat“.
Die ersten deutschen Kolonisten kommen ab 1717 ins Banat. Zwischen 1722-1736
beginnt unter Karl VI. mit der „Karolinischen Ansiedlung“ (später von Adam
Müller-Guttenbrunn auch „erster Schwabenzug genannt“) die systematische
Einwanderung von ca. 20.000 Kolonisten aus dem Reich. Das Kommando über das
Banat übernimmt General der Kavallerie Claudius Florimund Graf Mercy, der
auch für die Verwaltung zuständig ist und 1720 zum ersten Gouverneur des
Banats ernannt wird. In einer Konscription, die er 1717 anfertigen ließ,
wird Kleinbetschkerek mit 36 Häusern von meist serbischen Einwohnern
erwähnt. Sie waren Viehzüchter und lebten unter ärmlichen Verhältnissen. Am
9. April 1727 wird im Bericht Nr. 119 des Temeswarer Verwaltungsamtes
verzeichnet, dass für den Unterverwalter Martiny in Kleinbetschkerek ein
Quartier eingerichtet wurde. Ebenso bezeugen die Kirchenmatrikeln der
Temeswarer Innenstadt, dass es in Kleinbetschkerek in dieser Zeit schon
Katholiken gibt.
In den Akten des Temeswarer
Verwaltungsamtes gibt es am 29. Mai 1734 Vermerk Nr. 253:
"Temesvarer Verwaltungsamt zeiget an, dass
nach Betschkerek einige Griechen angekommen und sich für Künstler, welche
den Bruch schneiden können, ausgaben
und wirklich an einem jungen Untertan ihre Kunst so probiert haben, dass er
bald nach erhaltenem Schnitt gestorben seie. Da das Amt diese fremden
Quacksalber inhaftiert hat, so fraget es an, ob solche nach Temeswar
geschickt werden sollen oder was mit selben zu tun seie."[8]
Das Temeswarer Verwaltungsamt
bestätigt am 28. Mai 1735 unter Nr. 371 die Einrichtung einer „Cambiatur“
(Poststation und Pferdewechselstelle): „Die Administration bedeutet, dass um
die Bequemlichkeit des Publici zu befördern bestimmt worden seie, dass der
Cambiaturist von Warjasch nach Kleinbetschkerek transferiert und auf den
Pakatz eine Cambiatur errichtet werde, dass der Betschkereker 160 fl., der
Pakatzer aber 200 fl. an Gehalt haben werde, verordnet daher dem Temesvarer
Verwalteramte den Cambiaturisten in allen Erforderlichen die nötigen
Assistenz zu leisten.“[9]
Vermerk Nr. 377 vom 9. Nov. 1736
enthält folgendes Rundschreiben: „Administrations-Circulare an die
bestehenden 4 Oberverwalters, mittelst welchen dieselben eine Spezifikation
zugefertigt wird, wienach die hierländischen Cambiaturisten mit Acker- und
Wiesgründen bemessen und hiernach einzutheilen kommen u. zwar: jenen mit 6
Pferden – 12 Joch Acker u. 2 J. Wiesen, jenen mit 10 Pferden – 24 Joch Acker
u. 6 J. Wiesen, jenen mit 12 Pferden – 30 Joch Acker u. 10 J. Wiesen. Dann
den hiesigen Temescher Cambiaturisten 60 Joch zum Ackerbau und 15 Joch
Wiesgründe anzuweisen, dann mit Steinen und Hügeln zu unterscheiden.“[10]
Die Kleinbetschkereker Poststation
lag an der „alten Poststraße“ (Großjetschaer Straße), die nach Komlosch
führte und war eine der großen Poststationen. Dies ist an der Größe der
Postfelder (Hodaj) zu erkennen (60 Joch Ackerfeld und 15 Joch Wiesen). Das
Cambiatur- und Postgebäude befand sich da, wo später das Haus von Franz
Slawik stand. Daneben waren die Stallungen, und wo heute der Kindergarten
ist, war die Scheune für Heu und Stroh. Der Leiter der Poststation hieß
Ignatz Willer. In einem Reiseführer wird der Postweg von Ofen nach Temeswar
über Szegedin beschrieben. Der Autor berichtet über „das Cameraldorf
Kis-Becskerek, welches auf Moorgrund ruht, der in Mitte des Ortes durch
einen steinernen Brückendamm befestigt ist.“
[11]
Von 1737-1739 kommt es im Banat zu
einem weiteren Türkenkrieg, der mit Plünderungen und Zerstörung einiger
Ortschaften endet. Gleichzeitig gibt es eine Pestepidemie. 1747 werden 12
der 40 rumänischen Familien aus Neubeschenowa in das damals vorwiegend von
Serben bewohnte Kleinbetschkerek umgesiedelt.[12] Weitere folgen ihnen und errichten
ihre Häuser im östlichen Teil, dem „rumänischen Dorf“.
Am 15.03.1769 schenkt der Rumäne
Pascu Preda aus Pescaret dem neuen orthodoxen Pfarrer Zaharia Zaharievici
eine Bibel mit Widmung.[13] Der damals für die Rumänen bekannte
Ortsname Pescaret (Fischerdörfchen) ist noch heute die offizielle
Bezeichnung des Bahnhofs (Pescaretu Mic). Durch das naheliegende „Große
Ried“, einem ausgedehnten Sumpf- und Schilfgebiet, war der Ort als Fischer-
und Jagdparadies bekannt. Noch im Dorfsiegel von 1831 (Abb.
8.) sind neben den Weizenähren
(Symbol der Landwirtschaft), Schilf (für das Ried), ein Jäger und ein
Posthorn (für die Poststation) zu sehen. Wappenvogel ist der Storch, der
noch vor einigen Jahrzehnten auf sehr vielen Häusern sein Nest hatte.
In der Theresianischen
Siedlungsperiode (1763-1772), auch als „zweiter (Großer) Schwabenzug“
bekannt, kommen weitere 25.000 Einwanderer ins Banat.
Eine Urkunde des Wiener Hofkammerarchivs gibt 1772 Auskunft über den Grund-
und Feldbesitz der Nachbargemeinde Neubeschenowa. Daraus geht hervor, dass
„die noch erforderlichen 2.172 ½ Joch von dem bei dem Dorf Klein Becskerek
abfallender 4.143 Joch abgenommen und so mit diesem Abgang ersetzt werde.“ [14]
Im Frühjahr 1773 kommt eine Grundstreitigkeit zwischen Kleinbetschkerek und
Neubeschenowa durch die Wiener Hofkammer zur Entscheidung.[15]
1777 verzeichnet eine „Seelenconscription“ in Raitzisch-(serbisch)
Kleinbetschkerek 205 Häuser, meist von Serben bewohnt. Es sind aber auch 13
deutsche Einwohner im Ort.
Bis 1778 ist das Banat eine kaiserliche Provinz. Durch ein Handschreiben der
Kaiserin Maria Theresia vom 6. Juli 1778 wird das Banat an Ungarn
angegliedert. Zu diesem Ereignis wird der königliche Kommissar Graf Christoph
von Nitzky im damaligen serbischen Kleinbetschkerek von den Obrigkeiten der
Stadt Temeswar im Beisein von Husaren in Galauniformen empfangen. Ab 1778
erhalten viele Banater Dörfer ihr eigenes Siegel (meist mit der Abbildung
eines Engels). Für Kleinbetschkerek ist dieses Siegel von 1804 – 1831
dokumentiert (Abb. 7).[16]
Joseph II. erlässt 1782 ein neues Ansiedlungspatent, das den „dritten
Schwabenzug“, die Josephinische Siedlungsperiode (1782-1786), einleitet.
Während dieser Zeit wird 1785 der Ort Deutsch-Kleinbetschkerek, südlich von
Raitzisch-Kleinbetschkerek gegründet. Nur die Wiener Straße trennte die
beiden Orte.
Die von April bis Juni 1784 auf dem Donau Weg in das Banat gekommenen
Kolonisten werden in den schon bestehenden deutschen Dörfern Sackelhausen,
Neubeschenowa, Billed, Großjetscha, Lowrin und Guttenbrunn und Rumänen in
Kleinbetschkerek, in der Nähe der künftigen Siedlung, untergebracht, bis
ihre Häuser und Wirtschaftsgebäude errichtet und die Äcker, bemessen nach
ganzen und halben Sessionen, aufgeteilt waren. Hier werden sie bis zur
Ansiedlung auf Kosten des Staates verpflegt. Die Erwachsenen erhalten
täglich 1 ½ xr. in Barem und 1/30 Metzen Frucht, Kinder von 2-10 Jahren ½ xr.
und 1/120 Metzen Frucht, Kinder von 11-16 Jahren ¾ xr. und 1/60 Metzen
Frucht. Während der Einquartierung werden sie beim Bau der Häuser und
Wirtschaftsgebäude als Handlanger verwendet. Baumaterial stellt der Staat
kostenlos.
Am 27. Juni 1785 bereist Kameraladministrator Ladislaus Baron von Orczy in
Begleitung von Assessor Michael Constantin Hoffmann und dem Rentamts
Verwalter Johann Georg Wallbrunn das Sanktandreser Amt. Danach berichtete
Hoffmann der Hofkammer über den Fortschritt der Hausbauten in Sanktandres
und Kleinbetschkerek: „Zu St. Andrasch und Kleinbetschkerek Seye nur in
Ansehung der bereits in vorigem Jahre daselbst schon errichteten Häuser
nichts auszustellen, sondern es werde auch die heurige Arbeit als gut und
eifrig betrieben, dass dem St. Andrascher Rentambt hierwegen eine Belobung
billig verdiene.“
[17]
Die Herkunftsgebiete der Kleinbetschkereker Einwanderer lassen sich, wie bei
den meisten Banater Orten, sowohl über die Kirchenmatrikel als auch über die
Wiener Abfertigungslisten (WK), die Schlafkreuzerakten (SKRA) und die
Budapester Abfertigungslisten (UngRA) nachweisen. Franz Stanglica hat 1938
in „Klein-Betschkerek und St. Andrasch, zwei saarpfälzische Siedlungen im
Banat“ die Herkunft der Kleinbetschkereker untersucht und festgestellt, dass
die Ansiedler vorwiegend aus der damaligen „Saarpfalz“ und der
„Rheinprovinz“ stammen. Mehrere Familien stammen aus Lothringen und einzelne
aus Baden, Hessen und der südbelgischen Provinz Luxemburg. Die dabei
erstellte Statistik umfasst nicht alle Ansiedler.[18]
Bei Johann Rech werden die Herkunftsorte fast aller Siedler richtig
angegeben. Auch er verwendet die ehemaligen Gebietsbezeichnungen und kommt
zu ähnlichen Ergebnissen.[19]
Im Kleinbetschkereker Familienbuch von Dietmar Giel gibt es eine Liste der
Erstansiedler, bei der die Herkunftsorte nach heutigen Gebieten vermerkt
sind.[20]
Die Herkunft der Ansiedler widerspiegelt sich auch in der Mundart. Wie in
den meisten Banater Dörfern sprechen auch die Kleinbetschkereker eine
südrheinfränkische Mundart, die das Pfälzische, Lothringische und Teile des
Südhessischen umfasst. Laut Dr. Johann Wolf ist auch ein moselfränkischer
Einfluss zu erkennen.[21]
Ein Schreiben der Kameraladministration an den Temeswarer Bischof zeigt,
dass bei der Planung auch Seelsorger vorgesehen waren:
„Euer Exzellenz!
Außerdem … werden im gegenwärtigen Jahr die mit neuen deutschen Einwanderern
zu besetzenden Dörfer Neu-Monostur (Orzidorf), Klein-Betschkerek, Skt.
Andres, Morawicza und Neu-Wukowar (Niczkydorf) ebenfalls noch zu Stande
kommen und mit den für selbe bestimmten Familien besetzet werden. Da nun
jedes dieser 6 neuen deutschen Kolonistendörfer eines eigenen Seelsorgers
bedarf, auch auf die Passierung (Gutheißung) jedes für jeglichen
sistemisierten Stipendialgehaltes per jährl. 200 Gulden, dann deren
Naturaldeputaten per jährl. 15 Metzen Frucht, 30 Metzen Haber, 15 Metzen
Kukurutz, 15 Schöber Heu und 15 Klafter Holz unter einem bei der hohen
Hofstelle eingeschritten wird. Als hat man die Ehre Euer Exzellenz ein
solches mit dem freundschaftlichen Ersuchen zu eröffnen, … für deutsche 6
Seelsorger also vorzusorgen, damit sie in vorgedachten Örtern längstens mit
Ende Septembris angestellt werden mögen. Mit vollkommenster Hochachtung
geharrend Euer Excellenz Dienstschuldigster Ladislaus Freiherr von Orczy
Temeswar, den 20 Juni 1785".[22]
In Deutsch-Kleinbetschkerek werden 116 neue Kolonisten Häuser in 4 breiten
Gassen erbaut. Zusätzlich lässt der Staat das Bethaus, die Schule mit
Wohnungen für Lehrer und Pfarrer, ein Wirtshaus ein Gemeindehaus und 2
Rossmühlen errichten. In den Folgejahren kommen 10 zusätzliche Häuser dazu.
Nachdem weitere Ansiedler eintreffen, werden noch 25 Familien im nördlichen
Raitzisch-Kleinbetschkerek angesiedelt.
Die ersten Matrikelbücher der r. k. Kirchengemeinde werden am 1. Januar 1786
durch Pfarrer Franz Cisper angelegt, der schon am 1. Juni 1786 stirbt. Die
1. Geburt wird im Taufmatrikel am 7. Januar 1786 eingetragen: Anna, Tochter
des Peter und der Barbara Heinrich, geb. Schumer, Haus Nr. 20. Taufpaten
sind Ullinger (Ollinger) Jakob und Heinrich Anna. Der erste Eintrag im
Sterbematrikelbuch ist vom 6. Januar 1786 und vermerkt den Tod von Bonbach
Johann, Witwer, 30 Jahre alt, Haus Nr. 46, geboren in Luxemburg. Die erste
Trauung wird am 10. Januar 1786 vollzogen: Reck (Rück) Nikolaus, Witwer, Nr.
54 mit Lamby Elisabeta, ledig, Tochter des Wilhelm Lamby u. Anna Maria, Nr.
63. Trauzeugen sind Bambole Nikolaus und Mor Johann.
Die Kirchenrechnung vom 31. Dezember 1786 ist der erste Beleg für die
selbstständige Gemeindeverwaltung von Deutsch-Kleinbetschkerek. Sie ist mit
dem ersten Gemeindesiegel versehen, auf dem die Inschrift:
*DEITS*KLEIN*BETSGEREG* steht und eine Brücke („die Groß Brick“
über die „Marasch“) und Wasservögel dargestellt sind (Abb.6). Die
Rechnung trägt die Unterschriften von: Michael Marx (erster Schulze,
„Richter“), Adam Metzen (Metz) und Michael Kob (Kopp), die ersten
Geschworenen, Johann Adam Buch und Simon Schomer (Schumer), die ersten
Kirchenväter und Pfarrer Johannes Nocker.[23]
Die eigenständige Verwaltung der neuen Siedlung Deutsch-Kleinbetschkerek
dauert bis 1808. Danach bekommen die beiden Dörfer Deutsch- und Serbisch- (Raitzisch)
Kleinbetschkerek eine gemeinsame Verwaltung.
Im ersten Jahr überschreitet die Sterberate (48) die Geburtenrate (41). 1789
entfallen auf 41 Geburten 86 Todesfälle. 1792 beträgt die Zahl der Deutschen
in Kleinbetschkerek 644, 1802 schon 984 und 1809 1200 Einwohner.
In den ersten 25 Jahren hat die katholische Kirchengemeinde ein Bethaus mit
2 Glocken mit der Inschrift: „Goß mich Josef Fischer vor die Becsker
Gemeinde in Temesvar 1789“. Der Grundstein der katholischen Kirche
wird 1810 gelegt und am 17. Nov. 1811 wird das neue Gotteshaus mit seinem 42
m hohen Turm zu Ehren der Unbefleckten Empfängnis Mariens durch den Domherr
Paul Nemethy und den Gemeindepfarrer Stefan Karady geweiht. In den folgenden
Jahren werden die Schule (1816) und das Pfarrhaus (1820) durch Neubauten
ersetzt.
Am 30. April 1823 legt die serbische und rumänische Bevölkerung den
Grundstein zu einer neuen griechisch orthodoxen Kirche, die sie bis 1897
gemeinsam nutzen. Danach erfolgt bedingt durch die slawische Kirchensprache
die Trennung der beiden Kirchengemeinden und der konfessionellen Schulen.[24]
Durch die vielen Sümpfe und das schlechte Trinkwasser sterben von 1828-1831
viele an Sumpffieber, und im Sommer 1831 fordert die asiatische Cholera die
ersten Opfer.
Schon 1832 erhält die Kirche ihre erste Orgel[25]
und in den Jahren 1835-1869 gibt es nachweislich eine eigene Blaskapelle,[26]
die Lehrer Johann Götter ausbildet. Ihr folgen weitere Kapellen, die später
selbst in Schweden und den USA erfolgreich auftreten.
Im Sommer 1836 bricht wie in vielen Dörfern auch in Kleinbetschkerek erneut
die Cholera aus. In den Monaten Juli, August sind im Sterberegister 122 Tote
verzeichnet. „Pfarrer Mathias Mantzovics musste in dieser Zeit täglich auch
mehrmals seines traurigen Amtes walten“.[27]
Mit dem Schützenverein wird 1844 der erste Verein mit 50 Mitgliedern
gegründet. Danach folgen: 1871 der Leichenbestattungsverein, 1883 der Spar-
und Vorschussverein (eine Kreditgenossenschaft, die später zur „Ersten
Kleinbetschkereker Sparkassen AG“ wurde), der Lese- und Fortbildungsverein,
der Bauernverein, der ab 1891 dem „Südungarischen Bauernverein“ beitritt,
1890 die Freiwillige Feuerwehr, 1891 der Gesangsverein unter Kantor und
Lehrer Josef Malz, 1911 der Handels- und Gewerbebund, 1927 der Katholische
Deutsche Jugendverein und 1929 der Katholische Deutsche Frauenverein und der
Katholische Deutsche Mädchenkranz.
Die Ungarische Revolution dehnt sich 1848 auch auf das Banat aus. Wie in den
meisten Dörfern sind auch die Kleinbetschkereker Bauern zwischen ihrer Treue
zur Österreich-Ungarischen Monarchie und ihrer Sympathie zu den ungarischen
Revolutionären, die ihnen mehr Rechte, die Abschaffung der Zehent- und Robot
Leistungen versprechen, hin und her gerissen. So lässt der
Kleinbetschkereker Pfarrer Johann Stvertczky seinen Namen auf „Szittya“
magyarisieren, und zeigt offen seine Sympathie für die ungarischen
Revolutionäre. Dafür wird er zuerst versetzt und später vom Kriegsgericht zu
5 Jahren Kerker verurteilt und 1852 vorzeitig begnadigt.
Die Garnison Temeswar bleibt während der Revolution kaisertreu, entwaffnet
die Nationale Ungarische Garde und wird 107 Tage belagert. Am 9. August 1849
findet zwischen Kleinbetschkerek, Neubeschenowa und Sanktandres die
Entscheidungsschlacht statt. Aus dem Bericht eines hohen russischen
Offiziers ist der Verlauf der Schlacht zu entnehmen.[28]
Die Infanterie der ungarischen Revolutionstruppen hatte Kleinbetschkerek
besetzt und zieht sich beim Annähern der österreichischen Truppen in
Richtung Neubeschenowa und Sanktandres zurück. General Haynau gibt die
Verfolgung auf und positioniert die Kavallerie an der Temeswarer Straße.
General Bem, der Anführer der ungarischen Truppen, lässt diese von
Neubeschenowa umkehren, um im Rücken und den Flanken der Österreicher einen
entscheidenden Angriff zu wagen. Durch das Eingreifen der russischen
Verbündeten werden die ungarischen Truppen besiegt und fliehen in Richtung
Temeswar.
Im Herbst werden auch die schwäbischen Dörfer entwaffnet. Die Waffen des
Schützenvereins, aber auch Sensen und Gabeln werden beschlagnahmt. Am 02.
Oktober 1849 unterzeichnen 13 Banater Gemeinden die „Bogaroscher
Schwabenpetition“ an den Kaiser. Der Verfasser, der Bogaroscher Pfarrer
Josef Novak, war während seiner kurzen Tätigkeit von 1843 – 1845 in
Kleinbetschkerek sehr beliebt. Um dem Sterben der Frauen im Wochenbett durch
das „Kindsfieber“ ein Ende zu setzen, lässt er aus Wien eine Hebamme kommen.[29]
Die „Schwabenpetition“ hält fest, dass die geplante neue Verwaltung unter
der serbischen Woiwodina und des Temescher Banats die Bittsteller zwar
betrübt, dass sie aber dafür sind, „den Serben zur Wahrung ihrer
Nationalität einen Woiwoden, den Rumänen einen Capitain“ und den deutschen
Gemeinden einen „Grafen, nach dem Vorbild des Sachsengrafen in Siebenbürgen
zu geben.“
[30] Die Vorschläge der
Bittsteller werden jedoch vom Kaiser nicht berücksichtigt. Am 18.11.1849
wird die neue Administration der Serbischen Woiwodina und des Temescher
Banats Wien untergeordnet. Deutsch wird wieder zur Amtssprache. Aus dieser
Zeit stammt da Gemeindesiegel mit deutscher Ortsbezeichnung: „KREIS TEMESVAR
GEMEINDEAMT KL‘ BECSKEREK“ (Abb.9).
Im Mai 1852 besucht Kaiser Franz Josef Temeswar. Im gleichen Jahr wird ein
neues Grundbuch eingeführt. Die Straße Temeswar- Szegedin wird 1856
geschottert.
1858 wird die bisherige kirchliche Schule der Gemeindeverwaltung
unterstellt, die eine Schulkommission gründet. Diese Kommission wählt und
kontrolliert die Lehrer und legt deren Gehalt fest. Die serbisch orthodoxe
Schule jedoch, die erstmals 1773 erwähnt wird, entzieht sich bis 1944 dem
staatlichen Zugriff und die rumänische konfessionelle Schule, die sich 1898
von der serbischen getrennt hatte, wird im September 1921 zur Staatsschule.
Durch die kaiserliche Verordnung vom 27. März 1860 wird der Tabakanbau in
162 Banater Dörfern erlaubt. Zu diesen zählt auch Kleinbetschkerek.[31]
Januar 1861: „In den Städten und Dörfern weht die Trikolorefahne Ungarns.
Die Komitate wurden wieder eingerichtet und die Kreisämter hörten auf.“
[32]
Im März 1861: wird der „Deputierte von Mannasy für den beginnenden Landtag
in Kl. Betschkerek gewählt.“
[33] Ab 1861 wurde die
Verwaltung wieder geändert. Die Kreise wurden wieder in Komitate geändert,
was sich auch im neuen Dorfsiegel bemerkbar macht:
„TEMESVÁRMEGYE /KIS BETSKEREK /KÖZSÉGE“
(Abb. 10).
Vom Frühjahr bis zum Spätherbst 1863 fällt kein Regen. Durch die große Dürre
vertrocknen die Saaten. Der Weizen ist nur wenige Zoll hoch und bildet keine
Ähren. Kaum 10 Prozent der Flächen können geerntet werden. Der Mais und die
übrigen Frühjahrssaaten gehen zwar auf, vertrocknen jedoch schon Anfang
Juni. Die trockenen Weiden können das Vieh nicht ernähren, so dass die Tiere
geschlachtet oder zu sehr niedrigen Preisen verkauft werden. Im Spätherbst
greift der Staat ein. Mit dem Reichsgesetz vom 17. November 1863 erhält auch
Kleinbetschkerek ein „Notstandsdarlehen von 10.716 fl. 19 xr. ö. W. Dieser
Betrag wurde bis Ende 1865 ohne Zinsen und ab dann mit 5% Zinsen bis zur
endgültigen Tilgung nach 6 Jahren gegeben. Die Summe war auf 242
Anleihe-Bedürftige aufgeteilt. Man verpflichtete sich, eine jährliche Rate
von 1786 fl. 3 xr. ab dem 1. Januar 1866 an die Steuerkasse von Temeswar zu
entrichten. Falls der eine oder andere „Mitinwohner“ seine Pflicht nicht
nachkommen konnte, stand die Gemeinde dafür gut“.[34]Hilfe
für die Ärmsten kommt auch aus der Gemeinde selbst. Es werden Suppenküchen
eingerichtet. „Der Kleinbetschkereker Seelsorger P. von Mezzei ließ aus
eigenen Mitteln täglich 25 Laib Brot backen und an die Bedürftigen ohne
Unterschied des Bekenntnisses verteilen. Auch Holz begann er zu verteilen
und den Kleinhäuslern gewährte er zinslose Geldvorschüsse.“
[35]
Aus dem „Temesvárer gemeinnützigen, erheiternden, belehrenden Volks- und
Hauskalender für Banat auf das Schaltjahr 1864" geht hervor, dass die
Postmeisterin der Kleinbetschkereker Poststation Maria Kafga (Kafka) hieß.
Ritters geographisch-statistisches Lexikon von 1864 vermerkt: „Kis-Becskerek:
Fleck im Kreis und Bezirk Temesvar, 3400 Einwohner, Schafzucht, Bienenzucht,
Feldbau, Handel mit Vieh und Wolle.“
[36] In diesem Jahr
wird von einer guten Ernte berichtet, aber auch von Hamster- und
Mäuseplagen. Im Folgejahr 1865 sorgt eine Diphtherieepidemie dafür, dass die
Sterberate weit größer als die Geburtenrate ausfällt. Die Kleinbetschkereker
Wehrpflichtigen und Reservisten müssen 1866 gegen die Preußen und die
Italiener in den Krieg ziehen. Beim „Ausgleich“ von 1867 wird aus dem
Österreichischen Kaiserreich die Österreich-Ungarische Doppelmonarchie. Das
Banat wird dabei der ungarischen Verwaltung unterstellt, was später zu
Magyarisierung in Schule, Kirche und Verwaltung führt.
Die Jahre 1870-1871 werden im ganzen Banat als „Wasserjahre“ bezeichnet.
„Wassergefahr und Überschwemmung ist der Schmerzensschrei im ganzen Banate,
ja fast in ganz Europa. Der unbedeutendste Fluss spielt hier seine Rolle. So
musste in Temeswar der Temes Canal der Schubolyo und Behal alles unter
Wasser und in Schrecken versetzen, bei uns (Neubeschenowa) der Nyarad Bach,
wo alle Brücken zerstört wurden, der ganze Hotar mit Sumpfwasser angefüllt,
so dass alle Straßen unfahrbar und der Verkehr mit der größten Gefahr nur
durch reitende Boten ermöglicht wurde. Die Szegediner Hauptstraße hinter Kl.
Betschkerek war ½ Meilen unter Wasser, wodurch die Post über Gertyanos und
Gr. Jetscha nur nach Billet gelangen konnte.“
[37]
Am 1. Januar 1872 werden in Ungarn die Bezirksgerichte eingeführt. Der
Februar bringt wieder Hochwasser: „Schrecklich ist das Wasser in unseren
Feldern, fast alle Wege sind unfahrbar und noch gefährlicher ist das Wasser
im Torontaler Komitat. Die Marosch ist bei St. Marton ausgebrochen, kam über
Lowrin, Bogarosch und Uyhel. Zwischen Kl. Betschkerek und Billet kam das
Wasser vom Ried, ging über die Reichsstraße und ergießt sich über Kl.
Jetscha, Gr. Jetscha, Gertjanosch, schwellt sich am Eisenbahndamm an, so
dass die ganzen Fluren überschwemmt sind. Zwischen Kl. Betschkerek und
Billet kann nur mittelst einer Bletten die Überfuhr bewerkstelligt werden.
Wir können nur froh sein, dass wir Eisenbahnen haben, sonst wäre es für ganz
Banat gefehlt.“
[38]
Am 6. Mai besucht Kaiser Franz Josef I. Temeswar, um die Wassergefahr und
den Notstand zu untersuchen. Im Juli ist die Wahl des H. Stefan von Gorove
in Kl. Betschkerek als Landesdeputierter.[39]
Durch erneuten Diphtherieausbruch (1874) überschreitet die
Kindersterblichkeit die Geburtenrate. 1875 bekommt die Kirche eine große
Glocke, die 1884 umgegossen werden muss. 1876 wird in Europa ein neues
Längen- Hohl- und Gewichtsmaß, das Metersystem eingeführt.
Die zahlenmäßige Entwicklung der Bevölkerung geht aus verschiedenen Quellen
hervor. So heißt es 1857: „Kis-,
Klein-Betschkerek, Dorf
im österreichischen Kreise Temeswar (ebendaselbst), mit Postamt; 3100 Ew.“
[40], 1872: „Dorf mit vorzüglichem Landbau, Bienen- und
Schafzucht und 3000 Einwohner. Bassakut (Baschabrunnen), Kammermeierei mit
schönen Anlagen, Vergnügungsort der Temesvarer.“ [41] und 1890 steht im Brockhaus: „Klein-Becskerek, ungar.
Kis-Becskerek, Groß-Gemeinde im Komitat Temes, 15 km im NW von Temesvar, hat
3687 meist kath. deutsche Einwohner. (403 Rumänen, 562 Serben), Post,
Telegraph.“
[42] Die Enciclopedia Romana dokumentiert 1898: “Große Gemeinde
im Bezirk Temesch mit 3687 Einwohnern: Deutsche, Serben, Rumänen“ [43] 1900 hat die Gemeinde 3738 Einwohner, davon 422 Rumänen.[44]
In den siebziger- und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden in den
Akten die Wachssiegel durch Tusch-Siegel ersetzt: „TEMESVÁRMEGIE /KIS
BECSKEREK /KÖZSÉGE“ (Abb. 11)
Obzwar bei der Gründung von Deutsch-Kleinbetschkerek die Anzahl der Häuser
(126) geringer als die von Serbisch-Kleinbetschkerek (206) war, und der
Anteil an Feld fast gleich groß war, änderte sich das Verhältnis zwischen
den beiden Ortsteilen innerhalb eines Jahrhunderts wesentlich. Während die
deutsche Bevölkerung trotz mehrerer Epidemien durch eine hohe Geburtenrate
und steigende Lebensbedingungen ständig zunimmt, verkaufen viele serbische
Familien ihre Häuser und ziehen in Nachbarorte mit vorwiegend serbischer
Bevölkerung. Dies belegt z. B. die Volkszählung von 1920/21, bei der 2.533
deutsche Einwohner gezählt werden und nur noch ein gutes Viertel der
Gesamtbevölkerung aus Serben und Rumänen besteht.[45]
Schon um das Jahr 1880 erreicht die deutsche Bevölkerung einen Höchststand.
Viele junge Familien suchen daher ihr Glück in Amerika. Die Auswanderung
dauert auch nach dem I. Weltkrieg bis ins Jahr 1939 an und ist teilweise
durch die „Bremer Schiffslisten“ und andere Akten belegt.
1895 wird die Bahnstrecke zwischen Temeswar und Großsanktnikolaus fertig
gestellt. Die Gemeinde steuert 100.000 Gulden bei, obzwar die meisten Bauern
wenig Verständnis aufbringen. 1900 werden die alten Gemeindeschulen
abgetragen und an gleicher Stelle vom ungarischen Staat 2 neue Schulgebäude
errichtet, die bis heute genutzt werden. Die Schule wird zur Staatsschule
mit ungarischer Unterrichtssprache. 1903 wird der erste staatliche
Kindergarten eingeführt. Dazu wird ein neues Gebäude mit Unterrichtsraum und
Wohnung für die Kindergärtnerin errichtet. Der Besuch des Kindergartens wird
Pflicht. Die erste Kindergärtnerin heißt Gabrielle Belopotocky (1903-1918).
Auch im Kindergarten ist die Unterrichtssprache Ungarisch.
Am 25. Oktober 1909 wird die rumänische orthodoxe Kirche im rumänischen
Viertel („walachisch Dorf“) geweiht.
Im Jahr 1911 ist die Einwohnerzahl von Kleinbetschkerek auf 3681 gestiegen.
Die Zahl der Deutschen beträgt 2700 (73%), die der Serben 549 und die der
Rumänen 432. In diesem Jahr findet auch die 100-Jahr-Feier der katholischen
Kirche statt, gestaltet von Pfarrer Julius Wieselmayer. Er hat auch die
Dorf- und Kirchengeschichte dokumentiert.
In der Zeit des I. Weltkrieges kommt es schon am 26. Juli 1914 (2 Tage vor
Kriegserklärung) zur Mobilmachung. Ein Teil musste in Richtung Serbien und
Bosnien, ein anderer Teil nach Galizien, in den Kampf gegen die russischen
Truppen. Es sind 97 Kleinbetschkereker auf fremden Schlachtfeldern gefallen
oder an den Kriegsfolgen gestorben. Ihre Namen sind auf den beiden
Granittafeln der Friedhofskapelle, die 1927 errichtet wurde, eingetragen.
Auch die 3 Kirchenglocken fallen dem Krieg zum Opfer. Erst 1920 werden 3
neue Glocken gekauft.
Das Kriegsende sorgt für große Veränderungen. Am 1. Dezember 1918 finden die
Karlsburger Beschlüsse der Siebenbürger und Banater Rumänen statt. Am 20.
November 1918 kommt es zur serbischen Besatzung des Banats und im April 1919
lösen französische Besatzungstruppen die serbischen ab, die im Juli 1919 bei
ihrem Abzug Tiere und Getreide aus den besetzten Dörfern mitnehmen. Im
August 1919 erfolgt die rumänische Besatzung des Banats, wobei die Deutsche
Volkspartei in Rumänien den Anschluss des ungeteilten Banats an Rumänien
fordert. Der Vertrag von Trianon vom 4. Juni 1920 zementiert die
Dreiteilung, durch die nur noch knapp 1% des Banats bei Ungarn bleibt. Das
südliche Drittel wird Serbien zugesprochen und die östlichen zwei Drittel
fallen an Rumänien. So wird auch für die Kleinbetschkereker Rumänisch zur
Staatssprache. Das Dorf führt ab nun den Namen „Becicherecu Mic“.
Schulleiter und die Bürgermeister sind künftig trotz deutscher Mehrheit
meist Rumänen. Die Magyarisierung hat ein Ende und die deutsche
Muttersprache wird wieder gefördert. Das Verhältnis der Deutschen zum
rumänischen Staat war loyal, da er ihnen eine relativ freie Entfaltung des
kulturellen Lebens ermöglichte.
In der gemischtsprachigen Gemeinde beherrschten die Einwohner mehr oder
weniger gut auch die Sprache der anderen. Die Umgangssprache war meist die
schwäbische Mundart. Auch die serbischen und rumänischen Kinder sprachen
meist schwäbisch. Aber auch die Deutschen lernten in der Schule und im Dorf
die rumänische Sprache, und jene, die im serbischen Ortsteil wohnten,
verstanden und sprachen oft serbisch. Annemarie Schenk und Ingeborg
Weber-Kellermann beschreiben 1973 das vorwiegend friedliche Zusammenleben
der 3 Nationalitäten im Laufe der zwei Jahrhunderte in allen sozialen, und
kulturellen Bereichen.[46]
1930 findet in Kleinbetschkerek eine Jugendtagung statt. Das Treffen wird
vom damaligen Pfarrer Josef Dewald organisiert, wobei auch der Temeswarer
Bischof Dr. Augustin Pacha eingeladen ist. Noch immer bilden die 2294
Deutschen die Mehrheit der Bevölkerung (3318).
Die rumänische Bevölkerung ehrt 1932 ihren ehemaligen orthodoxen Pfarrer und
einen der ersten rumänischen Dichter, Dimitrie Tichindeal, und errichtet ihm
1932 vor dem Kindergarten ein Denkmal.
Am 8. und 9. August 1936 feiert Kleinbetschkerek ein doppeltes Fest. Es sind
150 Jahre seit der Ansiedlung der deutschen Bevölkerung und 125 Jahr nach
dem Bau der katholischen Kirche. Bei dieser Gelegenheit erscheint auch die
kurze geschichtliche Dokumentation „150 Jahre deutsches Becicherecul-Mic“,
verfasst vom langjährigen Kleinbetschkereker Lehrer und Schulleiter Johann
Rech (08.09.1877 – 06.03.1976). Auch Ansichtskarten erinnern an das
Ereignis. (Abb. 5)
Der Grundbesitz der Gemeinde betrug 1937 insgesamt 10048 Joch. Davon
gehörten 8218 Joch der deutschen, 800 Joch der rumänischen und 1030 Joch der
serbischen Bevölkerung.[47]
Mit dem Ausbruch des II. Weltkrieges gerät auch Kleinbetschkerek aus allen
Fugen. Im November 1940 wird die „Deutsche Volksgruppe in Rumänien“ von der
rumänischen Regierung als juristische Person des öffentlichen Rechts
anerkannt. Ab nun erhalten die Deutschen in Rumänien Schul- und
Kulturautonomie. Der Einfluss der Ideologie des damaligen Deutschen Reiches
macht sich auch in den Banater Dörfern bemerkbar. Große Teile der Jugend
lassen sich durch die DJ über Sportveranstaltungen begeistern. Die älteren
Jahrgänge, die den I. Weltkrieg erlebt und überlebt hatten, sehen die
Entwicklung mit Sorge. Im Juni 1941 ziehen die Rumänen an der Seite
Deutschlands in den Krieg gegen Russland. Auch 43 junge Männer aus
Kleinbetschkerek müssen in der rumänischen Armee an die Front, davon kehren
18 nicht mehr zurück.
Nach der Zerschlagung der rumänischen Militäreinheiten bei Stalingrad (1943)
kommt es zwischen Berlin und Bukarest zu einem Abkommen, wonach
„volksdeutsche“ rumänische Staatsbürger in die Wehrmacht und SS-Verbände
rekrutiert werden. Im Juni 1943 finden die Musterungen der Jahrgänge 1908 –
1926 statt: Die Todesnachrichten von der rumänischen Front dämpfen bei
Vielen die Begeisterung. Doch der Druck der Volksgruppe und die Angst bei
der schlecht versorgten rumänischen Armee zu dienen, führt dazu, dass sich
die meisten „freiwillig“ melden. Es sind 229 die in deutschen Verbänden
kämpfen. Davon gelten nach letzter Erkenntnis 88 als gefallen oder vermisst.
Am 3. April 1944 wird Temeswar von den alliierten Truppen bombardiert. Dabei
werden auch 3 Bomben am Dorfrand, nahe der Bahnlinie abgeworfen. Am 7. und
8. April kommen 2 Züge mit rumänischen Flüchtlingen aus Moldawien und dem
Buchenland an. Sie werden bei der Dorfbevölkerung einquartiert. Am 10.
September kommen erste deutsche Einheiten ins Dorf und fordern die deutsche
Bevölkerung zur Flucht auf. Aus Angst vor den herannahenden russischen
Truppen verlassen am 16. September ca. 900 meist junge Menschen in einem
Wagentreck (137 Pferdewagen) das Dorf Richtung Westen.[48]
Ihnen folgten am 17. September ca. 120 Dorfbewohner in einem Eisenbahnzug.
Vom 17. – 18. September sind ungarische Truppen im Dorf, die dann
weiterziehen. Die Flucht endet für die Wagenkolonne am 2. November in
Oberösterreich, wo Viele nach schweren Jahren eine neue Heimat gefunden
haben. Das Abenteuer derer, die sich mit dem Zug gerettet hatten, endet am
27. Oktober in Forchheim und den umliegenden Dörfern, wo auch sie, wie viele
Vertriebene, eine neue Existenz gründeten.[49]
Am 20. September 1944 wird das Dorf von Russen besetzt. Die zurückgebliebene
Bevölkerung erlebt schlimme Zeiten. Es gibt zahlreiche zivile Opfer durch
Luftangriffe, den Artilleriebeschuss, aber auch durch Demütigung,
Plünderung, Vergewaltigung und Erschießung ziviler Bewohner. Am 29.
September werden die Dorfbewohner aufgefordert, das Dorf zu verlassen und
nach Sanktandres zu ziehen, von wo sie erst nach 9 Tagen zurückkehren
dürfen. Am 18. Oktober kommen Tito-Partisanen ins Dorf, plündern und
terrorisieren besonders die zurück gebliebenen Deutschen. Am 27. Oktober
werden die russischen Truppen aus der Gemeinde abgezogen. Am 14. Januar 1945
wird das Dorf vom rumänischen Militär umstellt und 170 Deutsche (64 Frauen
zwischen 18 und 33 und 106 Männer zwischen 17 und 45) werden zur
Zwangsarbeit in die Sowjetunion gebracht. Einige kommen später durch
Krankentransporte nach Deutschland. Die Meisten dürfen erst wieder im
November 1949 nach Hause. 39 (9 Frauen und 30 Männer) sind in den
sowjetischen Arbeitslagern gestorben.
Den zurückgebliebenen Deutschen wird 1945, durch das Bodenreformgesetz vom
12. April der Haus- und Bodenbesitz enteignet. Die Häuser der geflüchteten
Deutschen werden am 28. März 1945 durch die örtlichen Behörden rumänischen
Kolonisten zugeteilt.[50]
Am 9. Februar 1945 findet im Dorf eine Erfassung der Bewohner statt. Von
ehemals 2300 Deutschen sind noch 730 im Dorf. Die Anzahl der Rumänen beträgt
350, die der Serben 340 und die der Roma 50.[51]
Am 9. Juni 1946 zählt die Gemeinde 2363 Einwohner: 1052 Rumänen, 743
Deutsche, 403 Serben, 124 Roma, 17 Ungarn und 24 mit sonstiger Nationalität.[52]
Vom 18. bis 24. Juni 1951 hat das kommunistische Regime ca. 246
Kleinbetschkereker Familien von „Reichen“ (auch Serben, Rumänen und
Mazedonier) in die Baragansteppe zwangsumgesiedelt. Darunter sind auch 83
deutsche Familien (189 Personen), von denen bis zur Entlassung im Januar
1956 18 Deutsche nicht mehr zurückkehrten. Auch der letzte katholische
Pfarrer Michael Willjung wird 1951, wie viele Bischöfe und Pfarrer in einem
Schauprozess zu 9 Jahren Kerker und 3 Jahren Deportation verurteilt. 1963
wird er in die Bundesrepublik ausgewiesen. Die Gemeinde wird danach durch
Pfarrer der Nachbargemeinden Billed und Neubeschenowa betreut.
Die enteigneten Bauern und Handwerker müssen ihre Existenz in der Kollektiv-
oder Staatswirtschaft verdienen. Die Jüngeren aber arbeiten meist in den
Temeswarer Industriebetrieben. Die enteigneten Häuser der Deutschen werden
1954 den hier noch lebenden Besitzern rückerstattet.
Zwar geht es in den 60-ger und 70-ger Jahren sowohl materiell, als auch
kulturell (deutsche Schulen, Zeitungen, Theater, Radio- und
Fernsehsendungen) zeitweise wieder aufwärts, doch danach wird den noch
verbliebenen Deutschen durch Ceausescus Wirtschafts- und
Nationalitätenpolitik das Dasein erschwert. Viele sind über die Jahre durch
die sogenannte Familienzusammenführung, die Bundeskanzler Helmut Schmidt mit
Präsident Nicolae Ceausescu vereinbart hatte, zu ihren Verwandten in
Deutschland ausgesiedelt. Einigen ist die Flucht über Jugoslawien gelungen
und andere werden freigekauft. Nach dem Sturz des kommunistischen Regimes im
Dezember 1989 beginnt die letzte Aussiedlungswelle. Die restlichen deutschen
Familien verlassen die alte Heimat. Die Spuren der ehemaligen deutschen
Bevölkerung verblassen. Die schwäbischen Bauernhäuser, einst Symbol für
Wohlstand, verfallen. Der einst stolze Turm der katholischen Kirche ist am
28. Juli 1998 während eines Sturmes eingestürzt und hat das Dach und das
Kirchengewölbe schwer beschädigt. Auf dem „alten“ Friedhof haben Schafhirten
ihr Lager aufgeschlagen und auf dem „neuen“ Friedhof verdecken lange Zeit
Gräser und Sträucher die alten Grabsteine. Durch Spenden unserer Landsleute
und durch den persönlichen Einsatz von Niki Schmidt und seinen fleißigen
Helfern hat er wieder ein gepflegtes Aussehen erreicht. Heute gibt es in
Kleinbetschkerek weder eine deutsche Schule, noch eine katholische Pfarrei.
Die verbliebenen Gläubigen werden von der Pfarrei Billed betreut.
Rumänien ist seit dem 1. Januar 2007 Mitglied der Europäischen Union. Für
die in der ganzen Welt verstreuten Kleinbetschkereker Schwaben gibt es
jedoch kein Zurück. Sie haben neue Existenzen gegründet und die ehemalige
Dorfgemeinschaft lebt nur noch bei den regelmäßigen Heimattreffen wieder
auf.
Die HOG Kleinbetschkerek pflegt weiterhin einen regen Kontakt zur heutigen
Gemeinde und unterstützte sie bei der Beschaffung eines Feuerwehrautos und
erhält ihrerseits Unterstützung durch die Behörden bei der Friedhofspflege.
Das heutige offizielle Gemeindewappen von Becicherecu Mic enthält die
Symbole der ältesten Gemeindesiegel: Engel, Ährengarbe, Schilf, Storch.
Zusätzlich wird in der Gestalt des Pfarrers dem berühmtesten Sohn der
rumänischen Gemeinde: Dimitrie Tichindeal gedacht. Sonne und Mondsichel
sollen an die Banater Schwaben erinnern. (Abb. 12)
Quelle: Bappert, Johann: Noch sprechen die Steine. Kirche und Friedhof
in Kleinbetschkerek, Forchheim, 2011, S. 11-53
[1] Suciu, Coriolan: Dictionar
istoric al localitatilor din Transilvania, Bd. I, Bucuresti 1967, Editura
Academiei R.S.R., S. 66.
[2] Ebenda, (Doc. Rom. C. a I, 261, b III. 232).
[3] Möller, Karl von: Wie die schwäbischen Gemeinden entstanden sind.
Zweiter Teil, Temesvar 1924, S. 73.
[4] Rech, Johann – Reuter, Mathias: Kleinbetschkerek. Geschichte einer
gemischtsprachigen Gemeinde im Banat, Freilassing 1972, S. 6.
[5] Suciu, Coriolan: Dictionar istoric al localitatilor din Transilvania,
Bd. I. Bucuresti 1967, Editura Academiei R.S.R., S. 66 (Csanki II.26).
[6] Luca, Sabin, Adrian: Descoperiri arheologice din Banatul romanesc, Sibiu
2006, S. 33.
[7] Bappert, Johann: Die Flurnamen und Straßennamen der Gemeinden
Kleinbetschkerek und Orzidorf (Diplomarbeit), Universität Hermannstadt 1973,
S. f.
[8] Rech, Johann: Chronik von Deutsch-Kleinbetschkerek. Geburts- und
Heimatort des Lehrers Johann Rech (Manuskript) 1937, S. 23.
[9] Ebd., S. 24.
[10] Ebd.
[11] Tschischka, Franz: Der Gefährte auf Reisen in dem österreichischen
Kaiserstaate, Wien,1834, S. ff.
[12] Petri, Anton Peter: Neubeschenowa. Geschichte einer moselfränkischen
Gemeinde im rumänischen Banat, Freilassing 1963, S. 15.
[13] Olea, Valer Petru: Becicherecu Mic – File de cronica, Alba Iulia 2004,
S. 15.
[14] Petri, Anton Peter: Neubeschenowa, a.a.O., S. 50.
[15] Ebd.
[16] Vertan, Maria: Sigilii de sate, Comune si targuri din Banatul istoric
(secolele XVIII-XIX), Editura Brumar, Timisoara, 2006.
[17] Weber, Matthias, Petri, Anton P. Dr.: Heimatbuch Sanktandres im Banat,
Marquartstein 1981, S. 111.
[18] Stanglica, Franz: Klein-Betschkerek und St. Andrasch, zwei
saarpfälzische Siedlungen im Banat. Saarpfälzische Abhandlungen 2,
Neustatt/Weinstraße 1938, S. 116-144.
[19] Rech, Johann – Reuter, Mathias, a.a.O., S. 21–32.
[20] Giel, Dietmar: Familienbuch der katholischen Pfarrgemeinde
Kleinbetschkerek, AKdFF, Sindelfingen 2009, S. VII – XI.
[21] Vgl. Wolf, Johann: Banater deutsche Mundartkunde, Bukarest 1987, S.
135.
[22] Geschichte der Gemeinde Orzidorf 1785-1935, Timişoara 1935, S. 42.
[23] Vgl.: Rech, Johann: Chronik von Deutsch-Kleinbetschkerek. Geburts- und
Heimatort des Lehrers Johann Rech (Manuskript) 1937, S. 38.
[24] Olea, Valer Petru, a.a.O., S. 23
[25] Rech, Johann – Reuter, Mathias: Kleinbetschkerek, a.a.O., S. 35.
[26] Lay, Heinrich: Das Banat 1849 – 1867. Historische Dokumentation, Töging
a. Inn 2001, S. 255.
[27] Rech, Johann: Chronik von Deutsch-Kleinbetschkerek, a.a.O., S. 43.
[28] Weber, Matthias, Petri, Anton P., a.a.O., S. 145-148.
[29] Rech, Johann: Hundertfünfzig Jahre deutsches Becicherecul-Mic
(Jubiläumsschrift), o. O. [1936], S. 12.
[30] Petri, Anton Peter: Josef Novak und die Bittschriften an den Kaiser,
München 1963, S. 40.
[31] Lay, Heinrich: Das Banat 1849 – 1867, a.a.O., S. 35.
[32] Diplich, Hans Hrsg.: Deutsches Bauernleben im Banat. Hausbuch des
Mathias Siebold aus Neubeschenowa, Banat, 1842-1878, München 1957, S. 15.
[33] Ebd.
[34] Lay, Heinrich: Das Banat 1849 – 1867, a.a.O., S. 153.
[35] Ebd., S. 155.
[36] Ritters geographisch-statistisches Lexikon, Leipzig 1864.
[37] Diplich, Hans Hrsg.: Deutsches Bauernleben im Banat, a.a.O., S. 36.
[38] Ebd., S. 40.
[39] Ebd.
[40] Pierer's Universal-Lexikon (Bd. 2), Altenburg 1857, S. 470.
[41] Dr. F.H. Ungewitter’s neueste Erdbeschreibung und Staatenkunde (Bd. 1),
Dresden 1872, S. 733.
[42] Brockhaus Konversationslexikon. 2. Bd. Leipzig 1894, S. 618.
[43] Enciclopedia Romana, Sibiu (Hermannstadt) 1898.
[44] Lalescu, Traian: Le Problème Ethnographique du Banat, Paris 1919.
[45] Handwörterbuch des Grenz- und Auslanddeutschtums (Bd. 1), S. 208.
[46] Vgl. Schenk Annemarie – Weber-Kellermann Ingeborg: Intherethnik und
sozialer Wandel in einem mehrsprachigen Dorf des rumänischen Banats, Marburg
1973.
[47] Vgl. Petri, Anton Peter, Die Banater Siedlungen mit einem deutschen
Bevölkerungsanteil, Mühldorf/Inn, 1972, S41.
[48] Vgl. Filippi Grosskopf, Catherine, Ähren des Lebens (2. Aufl.),
Chicago, 1994, S. 70-77.
[49] Vgl. Obernhuber, Annemarie, in: Festschrift 25 Jahre Banater Schwaben
in Forchheim, Forchheim, 2005, S. 14-18.
[50] Olea, Valer Petru, a.a.O., S. 79.
[51] Ebd.
[52] Ebd., S. 83.
Copyright © Johann Bappert
ALTE ANSICHTSKARTEN UND SIEGEL
(Bildmaterial:
Archiv Johann Bappert)
1. AK Bahnhof Kisbecskerek 1903
|
2. AK Kisbecskerek 1907
Kirchen/Schulen/Theresienmühle
|
3. AK Kisbecskerek 1910 Schule/ Dorfladen/ Kirche/
Pfarrhaus
|
4. AK Kisbecskerek 1911 Gasthaus/ Laden/ Bahnhof/ serb.
Kirche
|
5. AK Kleinbetschkerek 1936 150-Jahrfeier
|
6.
„DEITS*KLEIN*BETSGEREG“ 1786
(Zeichnung Joh. Rech)
|
7. Dorfsiegel
„K-Becskerek“
(dokumentiert von 1804 – 1831)
|
8. Dorfsiegel
von 1831
|
9.
Gemeindesiegel
aus der Zeit der „Wojwodschaft“
1849 – 1860
|
10.
Gemeindesiegel ab 1861
„KIS BETSKEREK“ |
11.
Gemeindesiegel ab 1870/80
„KIS BECSKEREK“
|
12. Das heutige
Gemeindewappen
wurde 2014 offiziell eingeführt
|
Johann Bappert
2. Zur Geschichte der Katholischen Kirche und Pfarrei
Kleinbetschkerek
1786 - 1811 - 2011
Schon bei der Planung des Ortsteils
Deutsch-Kleinbetschkerek und dessen Besiedlung mit
katholischen Kolonisten ist eine Pfarrstelle vorgesehen.
Dies belegt ein Schreiben an den Temeswarer Bischof:
„Euer Exzellenz!
Außerdem … werden im gegenwärtigen Jahr die mit neuen
deutschen Einwanderern zu besetzenden Dörfer Neu-Monostur (Orzidorf),
Klein-Betschkerek, Skt. Andres, Morawicza und Neu-Wukowar (Niczkydorf)
ebenfalls noch zu Stande kommen und mit den für selbe
bestimmten Familien besetzet werden… Als hat man die Ehre
Euer Exzellenz ein solches mit dem freundschaftlichen
Ersuchen zu eröffnen, womit gefällig sein wolle, für
deutsche 6 Seelsorger also vorzusorgen, damit sie in
vorgedachten Örtern längstens mit Ende Septembris angestellt
werden mögen. Mit vollkommenster Hochachtung geharrend Euer
Excellenz Dienstschuldigster Ladislaus Freiherr von Orczy
Temeswar, den 20 Juni 1785".1
Die ersten
Kleinbetschkereker Ansiedler beziehen schon ab Juni 1784
ihre Häuser und werden vorerst durch die Pfarrei
Neubeschenowa betreut. Das beweisen die Kirchenmatrikel aus
Neubeschenowa und die „Banater Schlafkreuzerrechnungen“. Mit
dem Bau der Siedlerhäuser wird auch ein Schulgebäude mit
Lehrer- und Pfarrerwohnung errichtet (Hausnr. 70). Gegenüber
wird ein Bethaus gebaut (Hausnr. 77) dessen Erstausstattung
der Staat finanziert: „1 Glocke, 1 Kanzel, 1 Altar, 1
vergoldeten Kelch, 1 Teller, 1 Taufschüssel samt Kanne, 1
Hostieneisen, 1 Kruzifix und die notwendigen
Kirchenkleidungen u. Tücher.“2
Am 1. Januar 1786
tritt Pfarrer Franz Cisper (* um 1729 + 01.06.1786)
seine Stelle als erster Seelsorger der neuen Pfarrei an. Er
war davor Pfarrer in Glogowatz (1766-1779), und Blumenthal
(1779-1783).3 Er
legt die ersten Matrikelbücher der r. k. Kirchengemeinde an,
verstirbt jedoch schon am 1. Juni 1786 und wird in
Kleinbetschkerek beerdigt.
Sein Nachfolger wird Johann
Nocher (* um 1741 in Kaschau). ("Joannes
Nocher Parochus emeritus p. t. administrator"). Er
war vorher (1769-1781) in Saderlach tätig4.
und bleibt bis zu seinem Tod (15.12.1788). Aus seiner Zeit
ist die erste Kirchenrechnung (31.12.1786) belegt. In dieser
Rechnung werden als Kircheneinnahmen fürs erste Jahr 14
Gulden und 23 Kreutzer Klingelbeutelgeld verzeichnet.
„Demgegenüber die Auslagen für Kerzen, Öl u. Weihrauch 9 fl.
Und 23 Kreutzer, für Wachs 1 fl. 7 Kreutzer, für Reparaturen
u. neue Geräte 3 fl. 42 Kreutzer.“5 Die
ersten Kirchenväter waren, Johann Adam Buch und Simon
Schomer (Schumer).
Ihm folgt (30.12.1788
– 01.09.1789) Pater Josef Marekl ("Josef Marekl
Administrator parochiae"). In seiner Zeit wurde das Bethaus
1789 mit zwei Glocken versehen, mit der Inschrift: „Goß
mich Josef Fischer vor die Becsker Gemeinde in Temesvar
1789“.6 Er
weihte am 12. Mai 1789 den zweiten Friedhof, den heutigen
„alten Friedhof“ ein.
Am 08.09.1789 wird der
Franziskanerpater Inocentius Somody als neuer
Gemeindepfarrer in sein Amt eingeführt. ("P. Inocentius
Somody Ord. Min. Conventualis Parochus loci 8 tua septembris
installatus").7 Davor
(1785-1787) war er Pfarrer in Wilagosch. Er wurde um 1742
geboren und verstarb am 13.02.1798 in Kleinbetschkerek, wo
er auch am 15.02.1798 beerdigt wurde.8
Peter Malik (* 1767 + 1834) kam am
17.02.1798 als Administrator und war davor Pfarrer in
Heufeld. Er blieb in Kleinbetschkerek bis zum 20.05.1800.
Danach kehrte er nach Heufeld zurück.
Nach ihm wird Adam Bramberger (*1751 +
23.11.1809) als Administrator der Pfarrei eingesetzt.
Bramberger war davor in Tschiklowa (1778-1782) und in
Steierdorf (1783-1786) tätig. Er stirbt am 23.11.1809 in
Kleinbetschkerek, und wurde auf dem „alten Friedhof“
beerdigt.
Für fast ein Jahr (14.11.1809 – 28.09.1810)
übernimmt der Neubeschenowaer Kaplan Josef Haffner die
Betreuung der Gemeinde. In dieser Zeit wird (29.05.1810) der
Grundstein zur heutigen Kirche gelegt.
Von großer Bedeutung
wird schließlich Stephan Karády (* um 1771 +
13.11.1818), der vom 29.09.1810 bis zu seinem Tod viel für
seine Gemeinde tut. Karl Möller beschreibt den Zustand des
alten Bethauses wie folgt: „Von 1786 bis 1810 betete man
in Kleinbetschkerek in einer Bretterbude, erst im Mai 1810
wurde der Grundstein zur heutigen schönen Kirche gelegt,
nachdem der Gottesschupfen schon bedenklich schief
ausgeartet zu haben scheint.“ 9
In Karádys Amtszeit wird der Kirchenbau
beendet. Das Kirchweihfest war am 17.11.1811 und wird fortan
immer am ersten Sonntag nach Sankt Martin (11. November)
gefeiert. Domherr Paul Nemethy weiht das Gotteshaus zu Ehren
der unbefleckten Empfängnis Mariens, deren Feiertag der 8.
Dezember ist.
Der Bau selbst wird
vom Staat finanziert. Zusätzlich sammeln die Gläubigen noch
3427 Gulden und 72 Kreuzer, um den Bau mit einem 42 Meter
hohen Turm zu schmücken, der bis zu seinem Einsturz 1998 der
Stolz der Bewohner war. Zusätzlich spenden sie noch 4122
Gulden für die Innenausstattung. „Kostete doch eine Bank
28 Gulden, für das Ausmalen des Sanctuars erhielt Maler Lohs
242 Gulden, für die Bemalung und Vergoldung des Tabernakels
sogar 390 Gulden, für die Bemalung der Kanzel forderte und
erhielt Meister Josef Arnold 425 Gulden“.10
1816 weiht Pfarrer Karády das erste
Altarbild, das später am Seitenaltar (Marienaltar)
angebracht wird. Der Name der Stifter (Anton und Theresia
Weißenberger) steht auf dem Bild: “CURA
ADM: ROI: DNI: STEPH. KARÁDY PAROCHI INTENSIS D: ANTONI ET
D. THERESIA WEISENBERGER MDCCCXVI”.
Pfarrer Stephan Karády wurde ebenfalls in
Kleinbetschkerek beigesetzt. Laut Johann Rech gab es noch
1937 neben der Friedhofskapelle ein Marmorkreuz, das an ihn
erinnerte. Leider ist dieses Kreuz heute nicht mehr zu
finden.
Laut Pfarrmatrikel
übernimmt Pfarrer Stephan Oltványi (in einigen
Quellen fälschlich Ottvanyi genannt) am 13.11.1818 die
Pfarrei und betreute diese bis zum 31.10.1832. Er stammte
aus Szegedin. In seiner Amtszeit wird 1820 das neue
Pfarrhaus errichtet. Auch dürfte der Kauf der ersten Orgel
von ihm veranlasst worden sein: „Die Orgel kaufte man
anno 1832 für 1000 Gulden.“11 Später
war Oltványi in Grabatz Pfarrer, Dechant und ab 1838 Domherr
und ab 1856 Großpropst des Csanader Domkapitels.
Erwähnenswert ist der soziale Charakter seiner beiden
Stiftungen. Die eine betrug 500 fl. Mit dem Zinsertrag
sollten arme Schulkinder in Kleinbetschkerek, Grabatz und
Schag mit Schulbüchern versorgt werden. Der Zinsertrag der
2. Stiftung von 600 fl. wurde für Bedürftige und Kranke aus
Kleinbetschkerek verwendet. Aus seiner Zeit stammt auch das
erste uns überlieferte Kirchensiegel (1827).12
Für kurze Zeit (01.11.1832 – 31.05.1833)
übernimmt Michael Geiger als Administrator die
Seelsorge. Ihm folgt Pfarrer Mathias Mantzovics (* um
1794 in Deitha + 23.01.1843 in Kleinbetschkerek), der vom
01.06.1833 – 23.01.1843 hier seinen Dienst versah. Die
Pfarrmatrikeln, die bisher in lateinischer Sprache geführt
wurden, mussten ab Januar 1841 in ungarischer Sprache
verfasst werden.
Ab dem 23.09.1842 bis zu seinem Tod wird
Pfarrer Mathias Mantzovics vom Kaplan Johann Heintz unterstützt,
der anschließend vom 24.01.1843 bis zum 03.07.1843 als
Pfarradministrator tätig ist.
Am 11.07.1843 kommt Pfarrer Josef Novak (*
01.09.1803 Pest + 10.07.1880 Werschetz) nach
Kleinbetschkerek und bleibt bis zum 29.10.1845. Danach wird
er nach Bogarosch versetzt, wo er am 2. Oktober 1849 die
berühmte Bitschrift an den Kaiser verfasst, die auch als
„Schwabenpetition“ bekannt wurde. Seine besondere Bedeutung
für die Kleinbetschkereker besteht darin, dass er erstmals
eine Hebamme aus Wien kommen lässt, um das Kindbettfieber,
an dem viele junge Frauen starben, zu bekämpfen.
Für kurze Zeit ist Jakob Vranovits (29.10.1845
– 19.02.1846) stellvertretend in der Gemeinde tätig.
In der Amtszeit von Johann
Stverteczky (21.02.1846 – 22.01.1849) „wurde das große
Altarbild um 114 Gulden in Wien angekauft“. 13
Die große Glocke war
gesprungen und musste umgegossen werden (von 730 auf 780
Pfund). Für die Turmuhr, die 1848 in der „J. Manhardt’schen
Königl. Bayr. Hof-Thurmuhren-Fabrik“ in München gefertigt
wurde, „wurden 7000 Gulden und fünf Zentner Kukuruz
bezahlt. 14
Pfarrer Stverteczky
magyarisiert ab Oktober 1848 seinen Namen auf Szittya
Janos. Während der Revolution unterstützt er die
ungarischen Freiheitskämpfer. Dafür kam er in Temeswar ins
Gefängnis, kam wieder frei und wurde später nach Rekasch
versetzt. Dort wird er wegen seiner Gesinnung verhaftet,
wird vom Kriegsgericht verurteilt und landet 5 Jahre im
Kerker. Nach seiner Begnadigung ist er bis zu seinem Tod
(1872) Pfarrer in Alt-Beschenowa.15
Pfarrer Dr. theol. Wilhelm Christoph Adams übernimmt
am 25.01.1849 die Gemeinde und zieht schon am 29.06.1849
nach Hatzfeld.
Ihm folgt Josef Racz (07.07.1849 –
24.10.1850). Ab 02.03.1850 werden die Kirchenbücher wieder
in lateinischer Sprache geführt.
Paul Mezey wirkt 20 Jahre in
Kleinbetschkerek (25.10.1850 – 09.10.1870). 1855 besucht der
päpstliche Nuntius Kardinal Michael Prela, Bischof von
Cartagena und Bologna, begleitet vom Domherr Stephan
Oltványi die Gemeinde. Zur Unterstützung der Armen aus
Kleinbetschkerek richtet St. Oltványi zwei weitere
kirchliche Stiftungen ein. Paul Mezey lässt am 30. Oktober
1857 den „Pfarrfond“ einrichten. Es wird Ackerland gekauft,
um aus den Erträgen die Armen zu unterstützen.
Während der Dürre von
1863 und der folgenden Not ließ Paul Mezey „aus eigenen
Mitteln täglich 25 Laib Brot backen und an die Bedürftigen
ohne Unterschied des Bekenntnisses verteilen. Auch Holz
begann er zu verteilen und den Kleinhäuslern gewährte er
zinslose Geldvorschüsse.“ 16 1858
wurden die Bilder der 14 Stationen gestiftet.
Ebenfalls 20 Jahre wirkt Pfarrer Mathias
Schäfer in Kleinbetschkerek (13.10.1870 – 25.10.1890).
Er bestellt 1875 eine 10 Zentner schwere Glocke, die 552
Gulden und 32 Kronen kostet, und schon 1884 wieder
umgegossen werden muss. Danach wog sie noch 478 kg. Der
Umguss kostet 269 Gulden und 30 Kronen. Pfarrer Schäfer
lässt auch den ersten Friedhof, der 83 Jahre lang nicht mehr
genutzt wurde, vergrößern. Am 05.11.1872 wird er wieder
eröffnet und bis heute noch genutzt.
Für wenige Monate übernimmt Administrator Koloman
Tapolscanyi die Pfarrei (28.10.1890 – 08.03.1891).
Ein bedeutender Pfarrer ist Julius
Wieselmayer (*03.02.1845 Werschetz), der mehr als 35
Jahre in Kleinbetschkerek wirkt. (15.03.1891 – 27.11.1926)
Er veranlasst 1893 für die Kirche den Kauf des „großen
Wirtshauses“, auf dessen Gartenfläche später die neue Schule
gebaut wurde. Der Preis betrug 6500 Gulden.
Am 11. und 12.
November 1911 organisiert Pfarrer Wieselmayer, die
Hundertjahrfeier der Kirche. Johann Rech, der als junger
Lehrer an der Feier beteiligt war, berichtet darüber
ausführlich in seiner Chronik: „Abtdomherr Dr. Josef Groß
wurde am Vorabend, Samstag, am Bahnhof vom Gemeinderichter
Josef Schmidt herzlichst begrüßt. Dann ging’s von den
Kirchweihburschen, zahlreichen Wagen und Reitern begleitet
in die festlich geschmückte Gemeinde. Die Bevölkerung und
die Schuljugend bildete unter Führung der Lehrerschaft
Spalier bis zum Pfarrhaus. Abends fand zu Ehren des hohen
Gastes und zu Ehren des eben neuernannten Dechant-Pfarrers
Julius Wieselmayer eine Lampionserenade statt, wobei der
deutsche Gesangverein unter der vorzüglichen Leitung des
Kantorlehrers Josef Malz schöne Lieder sang. Dann folgte
eine Turmmusik, welche das erhabene Lied 'Großer Gott wir
loben dich‘ intonierte.“ 17
1912 beträgt die Zahl
der Kleinbetschkereker Katholiken 2673. Es werden 75 Kinder
getauft, 25 Ehen geschlossen und 52 Sterbefälle registriert.18
1914 werden nach Ausbruch des ersten
Weltkriegs die 3 Kirchenglocken für den Krieg geopfert. Die
Kirche muss 6 Jahre ohne Glocken auskommen. Erst 1920
bestellt Pfarrer Wieselmayer 3 neue Glocken, die durch
Spenden der Gläubigen gekauft werden.
Pfarrer Julius Wieselmayer ist auch der erste
Chronist, dem wir die Angaben über die Geschichte der
Kleinbetschkereker Pfarrei und seiner schwäbischen
Bevölkerung verdanken. Sowohl Karl Möller, als auch Lehrer
Johann Rech werteten seine Pfarrchronik aus. An Pfarrer
Wieselmayer erinnert noch heute eine Gedenktafel unter der
Kanzel.
Nikolaus Uitz (* 08.11.1866
Sackelhausen + 17.03.1928 Kleinbetschkerek) betreute die
Pfarrei nur kurz (01.01.1927 – 17.03.1928) Er wurde in
Sackelhausen beigesetzt.
Jakob Maus ist schon ab 08.11.1925
unter Wieselmayer als Kaplan und danach bis 01.10.1928 als
Administrator tätig. Er war der Gründer des katholischen
Jugendvereins und der Schulstiftung „Studienfond“, die armen
Schülern ein Mittelschulbesuch ermöglichte.
Sehr beliebt war Pfarrer Wilhelm Dewald,
der vom 01.10.1928 bis zum 15.09.1935 hier wirkte. Er legt
ein großes Gewicht auf die Jugendarbeit, gründet
Jugendvereine, für die neben dem Pfarrhaus ein Jugendheim
eingerichtet wird. 1930 ist er der Initiator der „Kleinbetschkereker
Jugendtagung“, bei der sich fast 50 Jugendvereine mit 2500
Jugendlichen aus dem Banat, aber auch aus Deutschland
treffen. Ehrengast ist der Temeswarer Bischof Dr. Augustin
Pacha.
Der letzte eigene Priester, den die
Kleinbetschkereker Pfarrei hatte, war Michael Willjung (*06.01.1901
Sackelhausen + 11.05.1973 Regensburg). Er setzt die Arbeit
seines Vorgängers fort. Pfarrer Willjung war bischöflicher
Sekretär der Diözese Temeswar, Konsistorialrat und Dekan des
Billeder Dekanats. Am 8. Und 9. August 1936 wurden 150 Jahre
seit der Gründung und Ansiedlung des deutschen Ortsteils
gefeiert. Gleichzeitig wurde das 125-jährige Jubiläum der
Kirche festlich begangen. Doch schon nach wenigen Jahren
bricht der zweite Weltkrieg aus und endet auch für die
Kleinbetschkereker Deutschen mit Flucht, Vertreibung und
Deportation. Pfarrer Willjung versucht nach dem Krieg das
Leid der Zurückgebliebenen zu lindern, wird aber am 28.
August 1951 verhaftet und am 25. Januar 1952 zu 9 Jahren
Kerker und danach zu weiteren 3 Jahren Verbannung
verurteilt. Er darf seine Pfarrstelle nicht mehr besetzen
und wird 1963 in die Bundesrepublik abgeschoben, wo er noch
in einem Regensburger Caritas-Altenheim tätig war.
Als besondere Persönlichkeit soll auch
Pfarrer Josef Elsner genannt werden. Er wurde am
28.07.1888 in Kleinbetschkerek geboren und studierte
Theologie in Temeswar und Budapest. Am 01.02.1911 weihte ihn
der spätere Kardinal Johann Csernoch zum Priester. Seine
priesterliche Laufbahn führte ihn zunächst als Kaplan nach
Reschitza, Weißkirchen, Hatzfeld und Werschetz. In
Weißkirchen, Szegedin und Arad wirkte er als
Religionslehrer. 1924 wurde er zum Konsistorialrat ernannt,
1926 Pfarrer in Bakowa, 1932 in Johannisfeld und 1942 in
Großsanktnikolaus. Zum Ehrendomherrn wurde er 1943 ernannt.
In der Verfolgungszeit der Kirche im kommunistischen
Rumänien blieb ihm die Haft nicht erspart. Nach der
Entlassung aus der Haft lebte er wieder in Großsanktnikolaus.
Von hier aus half er überall in der Seelsorge aus und ist am
04.11.1965 in Großsanktnikolaus gestorben. Beerdigt wurde er
in seiner Geburtsgemeinde Kleinbetschkerek, in der er
während seiner 54-jährigen Priestertätigkeit immer wieder
ausgeholfen hatte.
Bis zur letzten großen Auswanderung der
deutschen Bevölkerung 1990 werden die Kleinbetschkereker
Katholiken durch die Seelsorger der Nachbardörfer betreut.
Es waren die Pfarrer Johann Lauer (09.09.1951 –
23.12.1952), Hans Schmidt (01.01.1957 – 27.05.1979)
und später Karl Zwick, als Pater Clemens bekannt,
(17.07.1980 – 08.11.1987) aus der Pfarrei Neubeschenowa, Josef
Wild (1952 - 1956) aus Billed, Franz Gottfried Huhn (18.02.1979
– 08.07.1980) aus der Pfarrei Alexanderhausen. Gottfried
Huhn hat große Verdienste um den Kleinbetschkereker
Kirchenchor, sowohl in der alten Heimat, als auch in der
neuen (in Forchheim) erworben.
Im Turmbereich der
Kirche waren noch lange Zeit Einschüsse aus der Zeit des
Krieges zu erkennen. Durch Spenden der wenigen
Zurückgebliebenen und der Landsleute aus dem Westen wurde
das Gebäude 1967 renoviert. Pfarrer Hans Schmidt und der
damalige Kirchenrat betreuten diese Renovierung. Im Westen
wurden die Spenden vom ehemaligen Pfarrer Michael Willjung
gesammelt. Gespendet wurden 1040 Dollar aus USA und Canada,
2473 DM aus Deutschland und 6380 Schillinge aus Österreich.19 Dabei
wendete er sich mit bewegenden Worten an seine Landsleute:
„In dieser Kirche
habt Ihr, haben Eure Vorfahren, Eltern und Verwandten, wir
alle immer wieder Mut, Kraft und Ausdauer für unseren
Lebenskampf geschöpft. Sie begleitet uns durch das Leben.
Von der Wiege bis zum Grabe. O, wenn dieser Altar, die
Wände, der Turm, die Uhren, die Glocken sprechen könnten!
Was haben diese schon gehört und gesehen seit 1811?
‚Menschen kamen, Menschen gingen.‘ Besonders in den letzten
Jahrzehnten. Könnt Ihr Euch noch erinnern, wie die Glocken
Euch bei Eurer Flucht nach Westen verabschiedet haben? Meine
Schwester und ich haben sie gezogen mit dem Gedanken: Ihr
sollt noch einmal, vielleicht das letzte Mal die Glocken der
Heimat hören; sie mögen Euch in Eure unsichere Zukunft
begleiten, sie mögen Euch stets an die alte Heimat erinnern.“20
Schon nach dem großen Sturm vom 27. Juni 1982
mussten Dachschäden behoben und das Turmkreuz ersetzt
werden. Der schlimmste Schaden wird jedoch durch den Sturm
vom 28.07.1998 verursacht. Der Turm kommt zum Einsturz,
beschädigt sowohl das Dach als auch das Deckengewölbe, das
teilweise einbricht und im Innenraum weitere Schäden nach
sich zieht.
Durch die Unterstützung des Bistums Temeswar
und der Gemeindeverwaltung wurden das Dach und der Rest des
Turmes mit Blech gedeckt. Der Innenraum kann jedoch bis
heute nicht genutzt werden. Die wenigen Katholiken in
Kleinbetschkerek feiern ihre Gottesdienste im Pfarrhaus, in
dem eine Kapelle eingerichtet wurde und werden aus Billed
von Pfarrer Bonaventura Dumea betreut.
Am 09.11.2011 feierten die ca. 100
Kleinbetschkereker Katholiken 200 Jahre seit der
Einweihung der Kirche. Der Einladung des Bürgermeisters
folgten auch zahlreiche Mitglieder der HOG Kleinbetschkerek.
Die Jubiläumsmesse wurde von Pfarrer Bonaventura Dumea und
Msgr. Johann Dirschl, Generalvikar des Bistums Temeswar in
der heutigen Kapelle, im ehemaligen Pfarrhaus, zelebriert.
Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Gedenkbuch „Noch
sprechen die Steine. Kirche und Friedhof in
Kleinbetschkerek“ von Johann Bappert vorgestellt.
In der neuen Heimat gestaltete unser
Heimatpfarrer Peter Zillich regelmäßig die
Gottesdienste zur Banater Kirchweih und zum
Kleinbetschkereker Heimattreffen, begleitet vom Banater
Kirchenchor unter der Führung von Franz Gottfried Huhn.
Pfarrer Peter Zillich wurde am 11.09.1957 in
Kleinbetschkerek geboren, ist in Dolatz aufgewachsen und
wurde 1984 in Regensburg zum Priester geweiht. Als beliebter
Heimatpfarrer mit seinem Akkordeon, Stadtjugendseelsorger,
Religionslehrer, Schulpastoral, bischöflicher Beauftragter
für die Vertriebenenseelsorge in der Diözese Regensburg,
Stellvertretender Landesvorsitzender Bayern der
Landsmannschaft der Banater Schwaben, Präses des St.
Gerhardswerkes, hat er sich in vielen Bereichen bleibende
Verdienste erworben. Bei seinen Reisen in die USA und nach
Brasilien besuchte er Banater Landsleute. Er starb am 13.
Februar 2019 in Regensburg.
Johann Bappert
1 Geschichte der Gemeinde Orzidorf 1785-1935,
Timişoara 1935, S. 42.
2 Rech, Johann: Chronik von
Deutsch-Kleinbetschkerek. Geburts- und Heimatort des
Lehrers Johann Rech (Manuskript) 1937, S. 37.
3 Dr. A. P. Petri, Römisch katholische
Seelsorger, die in deutschen Siedlungen des Banats und
des Arader Komitats gewirkt haben, 1702-1800, Mühldorf
/Inn, 1992, S. 8.
5 Rech, Johann: Chronik von
Deutsch-Kleinbetschkerek. a.a.O.,
S. 37.
6 Möller, Karl von: Wie die schwäbischen
Gemeinden entstanden sind. Zweiter Teil Temesvar 1924,
S. 75.
7 Kirchenbücher der Pfarrei Kleinbetschkerek,
Taufregister I., S 13.
8 Kirchenbücher der Pfarrei Kleinbetschkerek,
Sterberegister I., S 50.
9 Möller, Karl von: a.a.O.,
S. 75.
12 Klimstein, Franz von: Imago Expressa
Sigillorum [Dioceseos Temesvariensis], Timisoara,
Editura Pardon, 2007, S.54.
13 Rech, Johann – Reuter, Mathias:
Kleinbetschkerek. Geschichte einer gemischtsprachigen
Gemeinde im Banat, Freilassing 1972, S. 48.
15 Vgl. Rech, Johann: Chronik von
Deutsch-Kleinbetschkerek, a.a.O., S. 69.
16 Lay, Heinrich: Das Banat 1849 – 1867.
Historische Dokumentation, Töging a. Inn 2001, S.155.
17 Rech, Johann: Chronik von
Deutsch-Kleinbetschkerek, a.a.O.,
S. 92.
18 Schematismus Cleri Diocensis Csanadensis
pro anno domini MCMXIII. Temesvar 1913, S. 125.
19 Vgl. Filippi Grosskopf, Catherine, Ähren
des Lebens, Chicago, 1993, S. 87.
Copyright © Johann Bappert
B I L D E R
(Bildmaterial:
Archiv Johann Bappert,
Nikolaus Nauy, Josef Friedrich)
Katholische
Kirche 1997 |
Katholische Kirche - Nach dem
Sturm vom 28.07.1998
|
Katholische Kirche 2003
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Katholische Kirche 2010
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Das 1. Altarbild 1816
(später Seitenaltar) |
Marienbild am Hauptalter (1846)
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Altar
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Taufbrunnen
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Die Kanzel mit Sankt Martin
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Die neue Orgel
(erbaut von Franz Kecskés in Temeswar, vor dem 2. WK)
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Altargewölbe links
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Altargewölbe rechts
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Gewölbe 2010
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Innenansicht 2010
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Die Glocken
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Kirchensiegel 1827:
¬Sigil:[lum] Eccles:[iae] Paroch: [ialis] R[oma]no: Cath: [olicae]
Kiss Becskerekiensis 1827 |
Kirchensiegel 1848:
Kis Becskereki R: [ómai] K: [atolikus] Egyház 1848
|
Kirchensiegel 1890:
¬Eccl.[esia] R.[omano] Cath: [olicae] Kis.
Becskerek 1786
|
Kirchensiegel 1910:
¬Kisbecskerek
¬ Rom.[ai] Kath.[olikus] Egyház Pecsétje. 1785 |
Kirchensiegel 1924
¬Sigillum Ecclesiae Rom.[ano] CATH.[olicae]
¬
Becicherecul-Mic
|
Kirchensiegel 1958:
¬ Parohia Rom.[ano] Cat.[olica]
¬Becicherecul-Mic
|
Gedenktafel für
Dechant Julius Wieselmayer |
Gedenktafel für
Dechant Wilhelm Dewald
|
Gedenktafel für
Ehrendomherr Josef Elsner |
Gedenktafel für
Pfarrer Michael Willjung |
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